Beitrag von Catharina Wilhelm.
Ravennas Mosaiksteinchen-Sammlung beschränkt sich nicht nur auf Monumente und Ausgrabungen, sondern erstreckt sich auch auf die Vielfalt gastronomischer Angebote und Genussmomente.
Die italienische Stadt Ravenna liegt in der Emilia-Romagna nahe der Adriaküste. Dort erlebe ich schöne Momente in Stadt und Natur, außerdem probiere ich verschiedene Gerichte:
Bei Risotto geht es mir immer wieder so: Es sieht unendlich langweilig aus und schmeckt dann einfach köstlich. Genau so ist’s auch beim ersten Mittagessen in Ravenna in der Vineria Nuova. Unmittelbar nach dem Bestellen (auf Empfehlung eines Einheimischen) drängt sich mir bei 37 Grad im Schatten sowieso erst mal die Frage auf: Warum in aller Welt jetzt ein heißes Gericht mit Käse statt eines kühlenden Antipasto?
Nach der ersten Gabel sind die Zweifel verflogen: Das Risotto al Squacquerone con Rosmarino ist einfach perfekt. Squaquarone ist ein sahneweißer, streichfähiger und recht milder Frischkäse aus Kuhmilch. Auf den ersten Blick ein Langweiler – für Kenner ein Verwandlungskünstler. Ich werde ihm noch einige Male begegnen…
Schon wird der Brotkorb gereicht – mit den unverzichtbaren Grissini (handgemacht, versteht sich) und heißer Piadina. Ich bin überrascht: diese kleinen Brotteig-Dreiecke sind mit einem Zentimeter deutlich dicker als mir bislang bekannte. Ravenna hat eben ein bisschen mehr zu bieten, auch wenn es um das tägliche Brot geht.
Die Spezialität wird aus Mehl, Wasser oder Milch, Salz, Schweineschmalz und etwas Natron als Treibmittel zubereitet. Man isst sie pur als Beilage und somit Brotersatz oder als Hauptspeise oder Snack mit verschiedenen Füllungen mit Käse, Schinken und Kräutern – nicht nur in Snackbars, sondern auch in renommierten Restaurants wie dem Ca de’ Ven.
Hier setze ich meine Entdeckungsreise entlang des Squacquerone fort und bestelle als Vorspeise einen Budino, also Pudding, mit knusprig gebratenen Schinkenblättern.
Danach gibt’s eine Piadina mit dem so aussagekräftig benannten Frischkäse und ebenfalls Schinken. Und damit mein Calzium-Spiegel auch wirklich mal weiß, was Sache ist, probiere ich auch noch die Dessertform des Squacquerone: pur mit Konfitüre von kandierten Feigen.
Tags drauf macht mir eine Fahrt durch die Pialassa, eine Art Lagune von Ravenna, Lust auf Fisch und so wähle ich beim Mittagessen im Strandrestaurant MoloTreZero ein Fritto misto.
Die nur leicht frittierten Gemüsestreifen und Oktopusstückchen werden mit einer süßbitteren Honig-Bier-Sauce zart übergossen – ein Höchstgenuss. Tourguide Pierpaolo betont mehrfach, dass es einer Todsünde gleichkäme, ein Meeres-Fritto-misto mit Zitronensaft zu beträufeln – gut, dann eben nicht.
Einmal Meer schmecken reicht mir an diesem Tag nicht – noch dazu bietet das Hotel-Restaurant Cappello eine echte Rarität an: Hausgemachte Tagliatelle mit Krebsfleisch-Sauce. Was dann auf die Tafel kommt, erfordert zunächst ein kühles Auge und dann eine starke Hand (um die Scheren zu knacken), wird aber mit echten Streicheleinheiten für den Gaumen belohnt.
Das Primo sättigt so sehr, dass ich froh bin, vorher nur das Pinzimonio – das sind Rohgemüsesticks, die in eine Mischung aus Olivenöl, grobkörnigen Salz und etwas Pfeffer gedipt werden – genossen zu haben.
Tags drauf habe ich mittags in der hübschen Osteria Sapori Divini Gelegenheit, eine weitere Spezialität der Region Ravenna kennen zu lernen: Cappelletti. Es sind mit einer Käsecreme gefüllte Teigtaschen in Form eines Hütchens, die mit dem klassischen Ragù (also einer Fleischsauce) gereicht und etwas Parmiggiano Reggiano gewürzt werden. Sie sind übrigens auch ein Must beim Weihnachtsessen in der Region – durchaus verständlich. Molto leckero.
Im Juni findet seit 25 Jahren das Ravenna Festival statt und ab und an verbindet es auch Kunst und Kulinarik. So auch beim letzten Restaurantbesuch meines Aufenthalts in der aus einem ehemaligen Kino umgebauten Osteria Del Mariani.
Und so genieße ich zu einem Jazz-Konzert eine Antipasto-Platte mit den Schinkenspezialtitäten Coppa estiva, Culatta, Salsiccia passita, etwas Salami und 18 Monate gereiftem Rohschinken. Zum Bestreichen der Piadina gibt’s außerdem – wen wundert’s – ein Schälchen Squacquerone!
Danach bin ich eigentlich satt, aber die traditionellen Urcïo (Titelbild) – flache, mit Ricotta gefüllte Teigtaschen in Tomatensauce muss ich natürlich doch noch probieren. Ein sehr nettes Detail im Restaurant sind übrigens die im schrägen Winkel über der Küche angebrachten Spiegel, in denen der Gast die Pasta-Köchinnen bei der beeindruckenden Zubereitung der Teigwaren bewundern kann.
Was gehört noch dazu, wenn man an das kulinarische Italien denkt? Genau: Eis. In Ravenna gibt es mehrere gute Gelaterien. Zwei davon brennen sich mit ihrem Eis aus Pistazien aus Bronte tief in mein Herz ein: Il Nazionale an der zentralen Piazza del Popolo und die auf Regionalität und Bio-Zutaten eingeschworene Gelateria Milk in der Via Cavour 92.
Beide portionieren das Eis auch noch per Spatel in die Waffel oder den Becher und garantieren die Frische ihrer Produkte schon durch deren Abdeckung mit einer Edelstahlhaube. Wie anno dazumal… und genauso himmlisch dazumalig schmecken auch die angebotenen Eissorten.
Und was verbindet der Brotsorten-verwöhnte Deutsche nicht mit Italien? Vollkornbrot. Tja, und da müssen wir wohl allmählich umdenken. Oder uns auf die Schulter klopfen, weil endlich auch mal wir einen kulinarischen Trend in Italien setzen können – wie sonst eigentlich nie.
Ich nehme nämlich wahr, dass mehr und mehr Bäckereien und auch Restaurants ihr Angebot von reinem Weiß- auf Vollkornmehlsorten erweitern. Für mich war es bislang zwar kein Drama, in bella Italia den Biss meist ins Leere zu versenken, aber es freut mich doch, dass offensichtlich ankommt, was mehr Zahneinsatz erfordert.
Dass dabei auch gleich wild experimentiert wird und das Fünfkornbrot im MoloTreZero gleich einen Schuss Kaffee in den Teig erhält, finde ich herrlich erfrischend und unglaublich italienisch. Buon pane, allora!
Hinweis
Die Initiative DiRavenna hat mich zu dieser Reise eingeladen – vielen Dank dafür.
Anja Beckmann
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4 Kommentare
Catharina
18. Juli 2014 um 12:09Danke sehr, Alexander – es war auch wirklich himmlisch gut!
Alexander K.
18. Juli 2014 um 08:47Sehr interessanter Artikel! Ich finde den auch so gut weil der so ausführlich ist. Ein kulinarisches Vergnügen.
Catharina
26. Juni 2014 um 10:00Danke für das schöne Feedback – freut mich!
Olli
26. Juni 2014 um 02:44Wieder ein sehr schöner Artikel von dir