Leben und Reisen mit Autismus und ADHS als Erwachsene

Reisebloggerin Anja Beckmann Urlaub mit Hund Vizsla

Hi, ich bin Anja. Hauptberufliche Reisebloggerin nach einem Jahr Weltreise. Mit Mann, Hund und Katze lebe ich bei Düsseldorf. Außerdem bin ich Autistin mit ADHS. Beide Diagnosen bekam ich erst spät. Meine Erfahrungen zum Leben und Reisen mit Autismus und ADHS als Erwachsene möchte ich gerne mit euch teilen.

Ein Hinweis: Ich habe Germanistik, Politik und Kunstgeschichte studiert, bin also weder Psychotherapeutin noch Psychiaterin. Diesen Artikel habe ich aus meiner persönlichen Sicht über meine eigenen Erfahrungen geschrieben. Dabei habe ich alles hineingepackt, was ich bisher erfahren und gelernt habe. Aber – auch dank ADHS – habe ich bestimmt noch etwas vergessen. Bitte meldet euch bei mir, falls euch etwas auffällt, unter anja@travelontoast.de oder hinterlasst unter dem Blogbeitrag einen Kommentar.

Spät diagnostizierte Autistin mit ADHS

Reisebloggerin Anja Beckmann auf ihrer einjährigen Weltreise, hier in Bolivien. Danach gründete sie 2012 ihr Reiseblog Travel on Toast. Sie ist heute eine vegane Reisebloggerin aus NRW mit Hund und schreibt auch zu Reisen mit Autismus und ADHS als Erwachsene.Ich bin eine erwachsene Frau, habe Abitur gemacht und studiert, in verschiedenen Jobs im Kommunikationsbereich gearbeitet, führe eine langjährige Beziehung und reise viel. Das Foto zeigt mich in Bolivien auf meiner Soloweltreise, danach habe ich 2012 mein Reiseblog gegründet und bin seither als Selbstständige tätig. Autismus und ADHS können doch gar nicht sein, oder? Oh doch!

2022 erhielt ich zunächst die offizielle Diagnose ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung).

2024 folgte die Diagnose ASS (Autismus-Spektrum-Störung). Einschränkungen betreffen die soziale Interaktion, Kommunikation und stereotypes Verhalten.

Autismus und ADHS sind neurologische Entwicklungsstörungen, die mich mein Leben lang begleiten werden. Beides bringt Stärken und Schwächen mit sich.

Mit ADHS bin ich kreativ, neugierig und offen. Aber auch hyperaktiv im Kopf mit rasenden Gedanken, impulsiv, sprunghaft und unaufmerksam bei allem, was mich nicht interessiert. Außerdem sehr verpeilt: Regenschirme vergessen, Termine oder Haltestellen verpassen – das kann ich!

Mit Autismus bin ich sehr strukturiert, mitfühlend (auch wenn ich es nach außen hin schwer zeigen oder andere nicht gut emotional unterstützen kann) und habe einen starken Gerechtigkeitssinn. Deshalb macht mich gerade so fertig, was mit Instagram und Facebook passiert. Von beiden Netzwerken habe ich mich jetzt verabschiedet, obwohl es mir wegen der vielen netten Menschen dort sehr schwer gefallen ist. Auf X/Twitter bin ich schon lange nicht mehr, da ich dort gemobbt wurde. Mobbingerfahrung ist übrigens auch typisch.

Ich brauche meine Routinen, bin stark geräusch- und lichtempfindlich und benötige ausgiebige Ruhepausen. Eine tiefe Verbundenheit spüre ich ganz selten mit Menschen, dafür mit allen Tieren. Seit 2019 lebe ich deshalb vegan.

Mein Leben als Autistin mit ADHS: Ich brauche neue Erlebnisse und den Austausch mit anderen Menschen. Doch beides strengt mich an, so dass ich seit meiner Jugend erfolglos gegen Depressionen behandelt wurde.

Außerdem fühle ich mich oft wie eine Außerirdische, die das Leben der anderen wie durch eine Glasscheibe betrachtet, getrennt von ihnen.

Denn Gruppendynamiken verstehe ich genauso wenig wie unterschwellige Botschaften, Ironie, Emojis oder Small Talk. Meine Gesichtsblindheit, wenig Mimik und Gestik führten schon dazu, dass mich andere arrogant oder kalt nannten. Das tat weh. Und ist nicht schön, wenn man sich unter Menschen sowieso schon nicht wohl fühlt wegen vieler negativer Erlebnisse.

Reisebloggerin Anja Beckmann vom Reiseblog Travel on Toast als KindAuf diesem Foto mit meiner Mutter lächele ich, denn sie hat mich oft daran erinnert. Selbst auf heutigen Fotos habe ich meist nur einen Gesichtsausdruck: ein breites Lächeln.

Für mich ist gerade Autismus ein anderes Betriebssystem und so gar keine Superkraft. Das Leben war für mich immer extrem anstrengend und meist unerfreulich – daher auch die Depressionen.

Glücklicherweise habe ich Carsten schon mit 19 Jahren kennengelernt, er hilft mir sehr. Zu Hause mit ihm, Hund und Katze fühle ich mich rundum wohl. Deshalb arbeite ich auch seit 15 Jahren im Homeoffice.

Autismus und ADHS können nicht geheilt werden und es gibt nur für ADHS Medikamente.

Aber ich kann aufhören, mich immer nur anzupassen und stattdessen meine Lebensumstände an mich anpassen.

Erst die ADHS und Autismus Diagnosen brachten Klarheit. Ich kann nun mein Leben entsprechend einrichten und Hilfen in Anspruch nehmen. Erstmalig zeigt z. B. die Behandlung gegen Depressionen Wirkung. Das tut so gut!

Das Thema Reisen mit Autismus und ADHS als Erwachsene möchte ich deshalb in Reiseblog und Social Media immer mal wieder einfließen lassen, um darauf aufmerksam zu machen. Damit vielleicht andere Erwachsene (gerade Frauen) auf die Idee kommen, recherchieren und nach der Selbstdiagnose die Diagnostik anstreben.

Spoiler Alert: Es gibt nur wenige ADHS Diagnostikstellen und bei Autismus sind sie noch rarer, gerade für Erwachsene. Dazu kommt, dass Frauen häufig gut maskieren können, sich also “normal” zeigen.

Undiagnostiziert, unauffällig und unglaublich erschöpft

Ich bin ein wandelnder Widerspruch: Meine ADHS braucht Abwechslung, neue Erlebnisse und Menschen (hallo Dopamin!). Mein Autismus dagegen Struktur, Ruhe und wenige Kontakte. Denn die strengen mich an, gerade in Gruppen.

In mir will die eine Seite also ständig Vollgas geben und die andere Seite tritt fest auf die Bremse. Das gleicht sich nicht aus, sondern ist ein sehr anstrengender Balanceakt zwischen Über- und Unterforderung.

Schon in der Schule war ich verträumt und nur aufmerksam, wenn mich etwas interessierte. Mit großen Gefühlen, aber wenig Gesichtsausdruck. Mit Chaos im Kopf, impulsiv und sprunghaft.

Ich war dauermüde und bin seit meiner Jugend erfolglos gegen Depressionen behandelt worden.

Von Social Media über Selbstdiagnose hin zur offiziellen Diagnose

Wenn es TikTok nicht geben würde, wäre ich niemals auf die richtige Spur gekommen. Erst als meine For you page fast nur noch aus ADHS und Autismus Content bestand, recherchierte ich lange, machte viele Online-Tests und strebte schließlich die Diagnostik an. Recherche kann ich, dank Hyperfokus.

Ihr kennt sicher die Klischees: Bei ADHS der Zappelphilipp, der nicht still sitzen kann. Mein Chaos tobt aber vor allem im Inneren. Es zeigte sich vor der Diagnose außen nur, wenn ich mal wieder sehr ungeduldig war, beim Sitzen mit dem Fuß wackelte oder so überreizt war, dass ich schnippisch wurde. Auch konnte ich nie verstehen, warum andere nicht auch plötzliche Gesprächswechsel oder tiefe Gespräche (oft schon beim ersten Kennenlernen) liebten.

Gerade hat der Spiegel eine Titelstory zu ADHS bei Erwachsenen gemacht. Endlich bekommt das Thema mehr Aufmerksamkeit! Und es wurden auch Frauen interviewt, die ich schon von Social Media kannte. Leider entsprach der Artikel trotz der tollen Interviewgäste nicht der Erfahrung vieler, die ebenfalls betroffen sind. Das habe ich auf jeden Fall aus Diskussionen auf Social Media mitgenommen.

Bei Autismus sind Rain Man, Sheldon Cooper aus der Serie Big Bang Theory oder The Good Doctor aus der gleichnamigen Serie bekannt. Das sind alles Jungs und Männer. Dagegen fällt mir bei den Frauen nur die Autistin Greta Thunberg ein.

Eine Modediagnose? Von wegen!

Wenn ich noch einmal höre, ADHS oder Autismus seien Modediagnosen, muss ich schreien.

Denn erstmal: Was sollte irgendjemand ernsthaft als Erwachsene*r davon haben? Aufmerksamkeit, einen Coolnessfaktor oder einen Schwerbehindertenausweis? Dafür lohnt sich meiner Ansicht nach die Mühe nicht.

Ich glaube, dass nur echter Leidensdruck zur offiziellen Diagnose führt.

Leider gibt es bisher sehr wenig Diagnostikstellen, so dass viele vorerst mit einer Selbstdiagnose leben müssen.

Diagnostikstellen sind voll, nur für Menschen einer Stadt geöffnet, haben Wartelisten von zwei Jahren oder stehen nur Selbstzahler*innen offen.

Ich schildere mal, wie mein Weg zu den beiden offiziellen Diagnosen aussah.

ADHS Diagnose durch Psychotherapeuten (2022)

Mein Psychotherapeut diagnostizierte ADHS bei mir, nach mehreren Terminen und Fragebögen. Diese Diagnostik hat meine Krankenkasse übernommen.

Leider nimmt mein Psychotherapeut zurzeit niemanden mehr an, da alle Therapieplätze belegt sind. Ansonsten könnte ich ihn nur empfehlen, da er selbst neurodivergent ist und ich bei ihm neben Einzeltherapie auch ADHS-Gruppenstunden hatte.

Er ist der erste von fünf Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, bei dem ich das Gefühl habe, dass er mich nicht in ein “normales” (= neurotypisches) Leben zwängen möchte.

Ein anderer hat mir ernsthaft mal Kinder als Mittel gegen Depressionen vorgeschlagen, dabei fehlte mir ein Kinderwunsch immer völlig.

Es ist doch viel wichtiger, dass ich ein gutes Leben führe, so wie es zu mir passt.

Dass ich die Freiheit nutze, auch unkonventionelle Wege zu gehen.

Außerdem den Kontakt zu Menschen suche, mit denen ich mich tief verbunden fühlen kann. Das hat in der Vergangenheit oft nicht geklappt, da ich z. B. maskiert und mein wahres Ich nicht gezeigt habe. Außerdem kam es häufig zum Missverständnissen, so dass Freundschaften endeten.

Psychotherapie hilft mir also als Autistin mit ADHS, weil ich den richtigen Menschen dafür gefunden habe. Das ist so wichtig. Deshalb habe ich meine Hausärztin gewechselt und bin auch erst spät auf den passenden Psychiater gestoßen, der mir Medikamente verschreibt (das können Psychotherapeuten und -therapeutinnen nicht).

Zwei ADHS-Medikamente habe ich ausprobiert, das erste vertrug ich nicht und bei zweiten fühlte ich mich wie ein Roboter. Ich wollte gar nicht mehr sprechen, sondern nur noch in meiner eigenen Welt sein und arbeiten. Das ist nicht das, was ich mir unter einem guten Leben vorstelle. Denn ich bin ja nicht nur auf der Welt, um produktiv zu sein und Geld zu verdienen. Ich möchte auch Liebe, Freude und Gemeinschaft erleben.

Das fünfte Antidepressivum war es dann endlich. Hurra! Seither kann ich mich besser konzentrieren, bin nicht mehr ganz so müde und meine Stimmung ist besser und optimistischer.

Die einzelnen Medikamente nenne ich bewusst nicht, da jede*r sie anders verträgt und dafür Psychiater*innen die richtigen Ansprechpartner*innen sind.

Autismus Diagnose durchs PBZ Iserlohn (2024)

Reisen mit Autismus und ADHS als ErwachseneBei Autismus sind die Diagnostikplätze noch rarer als bei ADHS.

Für die Unikliniken Köln und Düsseldorf füllte ich im ersten Schritt Autismustests aus. Anschließend haben mich beide zur Diagnostik eingeladen, allerdings mit zwei Jahren Wartezeit.

Ich konnte und wollte nicht so lange warten. So war ich als Selbstzahlerin (zu diesem Zeitpunkt 850 Euro) beim PBZ – Psychologisches Beratungszentrum Iserlohn und hatte vier Monate Wartezeit.

Es gab drei Termine, neben Vor- und Nachgespräch den mehrstündigen Diagnostikteil. Letzter bestand etwa aus einem IQ-Test, standardisierten Autismustests und Interviews. Ich fand noch nie etwas so anstrengend und hatte das Gefühl, mein Kopf platzt.

Ein Ergebnis: Ich habe zwar einen hohen IQ, kann aber Menschen nur wenig bis gar nicht lesen.

Wie erkennen andere die Stimmung von Menschen allein an deren Augen? Ich musste mir dafür erst die Antwortmöglichkeiten anschauen und wirklich raten.

Insgesamt kann ich die Diagnostik beim PBZ nur empfehlen! Ja, ich hätte für das Geld auch einen Kurzurlaub machen können. Aber mein Wohlbefinden ist mir wichtiger. Die Diagnostik hatte ich bei einer Psychotherapeutin und einem Psychotherapeuten, beide behandelten mich wertschätzend und ich fühlte mich als Mensch gesehen.

Gerade Frauen können häufig besonders gut maskieren, also sich als Neurotypische ausgeben. Das gibt dann schon mal Probleme bei der Diagnostik, wenn beim Augenkontakt oder Händeschütteln gleich gesagt wird, das könnten autistische Menschen nicht. Spoiler: Ich kann es, mag beides aber überhaupt nicht.

Dank Diagnosen besser auf eigene Bedürfnisse achten

Am Ende hatte ich die beiden Diagnosen, die so vieles in meinem Leben erklärten. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich besser für mich sorgen.

Zum Beispiel vergesse ich oft, dass ich nicht nur aus meinem Kopf bestehe, sondern auch noch einen Körper habe.

Zu festen Zeiten essen hilft mir, sonst vergesse ich das glatt bis zum Nachmittag oder futtere nur Süßigkeiten (wieder mal: hallo Dopamin!). Genügend Wasser trinken ist auch so ein Thema.

Unterstützung bei ADHS und/oder Autismus

Hilfe findet ihr je nach Ausmaß der Einschränkungen etwa über:

  • Psychotherapie
  • ein ADHS-Medikament über Psychiater*in (bei Autismus gibt es leider nichts)
  • Ergotherapie
  • Ambulant betreutes Wohnen (BeWo): Jemand kommt zu euch nach Hause und unterstützt z. B. bei Haushaltsführung, Arzt- und Behördengängen oder Telefonaten. Erklärt wird das etwa auf der Website des Reha-Vereins Mönchengladbach.
  • Schwerbehindertenausweis
  • Pflegegrad
  • Selbsthilfegruppen

Treffen neurodivergenter Menschen

An diesen Treffen – ob offline oder online – habe ich selbst schon teilgenommen:

  • AD(H)S Treff in Mönchengladbach. Ein Treffpunkt für Menschen auf dem Spektrum – AD(H)S und ASS. An jedem 1. Mittwoch im Monat im Café Trotzdem ab 18 Uhr.
  • Neurodivergent Niederrhein in Kempen: Community neurodivergenter Personen am Niederrhein / ADHS / AuDHS / ASS
  • Verein AutSocial mit seinen Siam-Online-Treffen (Siam = soziale Inklusion autistischer Menschen) zu verschiedenen Themen wie Beziehungen, Masking oder Energiehaushalt

Betroffene mit Blog, Social Media oder Buch

Vor den Diagnosen mit Masking

Warum mein anderes “Betriebssystem” mit seinen Symptomen nicht früher aufgefallen ist? Eine Erklärung: Ich habe Masking durchgeführt, mich also möglichst an mein Umfeld angepasst.

So habe ich mich zu vielem gezwungen, was ich nicht wollte. Je älter ich wurde, umso mühsamer wurde das.

Beispiele:

  • Mich in Gruppen treffen und auf Partys gehen, obwohl es mich schon immer angestrengt hat. Ein Bekannter hat mich mal darauf angesprochen, dass ich spätabends im Club irgendwann aufgehört habe zu reden. Es ging dann einfach nicht mehr, die soziale Batterie war leer. Was ich am Club liebe: Meine Lieblingsmusik in voller Lautstärke, die bunten Lichter und die anderen in Sixtieskleidung.
  • Augenkontakt halten, auch wenn ich ihn nie mochte. Guckt man dabei eigentlich in beide Augen? Und wie lange? Und wie lange schaut man weg und wieder hin? Ich hoffe immer noch, dass mal jemand ein Regelbuch für Kommunikation und Beziehungsaufbau bei Neurotypischen schreibt.
  • Eigentlich möchte ich nur über Spezialinteressen reden. Zu Small Talk muss ich mich wirklich zwingen. Vor kurzem habe ich gelesen, dass viele Menschen beim Gespräch übers Wetter oder eine Fernsehsendung die Stimmungslage prüfen und Beziehungen pflegen. What?

Nach den ADHS und Autismus Diagnosen

Was ich mir jetzt zugestehe:

  • Spezialinteressen nachgehen. Das habe ich eigentlich schon immer gemacht. Vor allem, weil meine Spezialinteressen eher unspektakulär sind. Auch Neurotypische interessieren sich für Reisen, Essen oder Haustiere. Etwas weniger für alles aus den sechziger Jahren samt “Verkleidung” mit Minikleid oder Zombiefilme und -serien.
  • Hyperfokus ausleben. Carsten weiß schon, dass er mich nicht ansprechen braucht, wenn ich wie wild auf Computertastatur oder Smartphonescreen eintippe. Ich bin dann so tief im Aufmerksamkeitstunnel, dass ich eh nichts höre.
  • Bequeme Kleidung aus Baumwolle tragen. So habe ich etwa eine Cordhose in vier verschiedenen Farben. Es wird alles aussortiert, was kratzt, zu kurz oder zu lang ist. Übrigens mag ich entweder Kleidung in neutralen Farben oder sehr ausdrucksstarke wie meine Dackelsocken oder ein pink-rotes Minikleid.
  • Safe Food: Wenn mir etwas schmeckt, dann esse ich es immer wieder. Im Moment habe ich die Phase mit Bagels, veganem Frischkäse und veganem Räucherlachs zum Frühstück. Übrigens esse ich am liebsten aus Bowls, habe Lieblingsbesteck und -tassen.
  • Routinen: Immer wieder die gleichen Wege gehen, die gleichen Serien gucken (vor allem Castle und The Rookie) und Musikstücke hören. Nachdem ich gerade den Film “Better Man” zu Robbie Williams – auch ADHSler – gesehen habe, ist letzteres “Rock DJ”. Oder Galvanize von den Chemical Brothers, das höre ich gerade beim Tippen.
  • Reizarme Umgebung: Ich liebe dunkle Räume, vermutlich bin ich deshalb so gerne im Kino. Zuhause nie das große Licht anmachen, sondern viele kleine Lichter. Bei Lärm – dazu gehört auch schon wenn jemand neben mir isst oder Tastentöne (the horror!) – helfen mir meine Noise Cancelling Kopfhörer (Sony WH-1000XM4). Loops habe ich auch, aber In Ear Kopfhörer mag ich nicht.
  • Gezielte Reize: Einige Sinneseindrücke mag ich sehr. Dazu gehören etwa das samtige Fell von Hund und Katze, meine Lieblingssongs oder knusprig-weiche-würzig-süße Zimtschnecken. Meine ADHS hat mitgetanzt im Folkwang Museum Essen, wo fünf Diskokugeln im dunklen Raum Lichtreflexe an die Wände warfen.
  • Accommodations, also es mir so einfach und angenehm wie möglich machen. Alles andere kostet mich Kraft.
  • Zu meiner Gesichtsblindheit stehen. Ich möchte mich hiermit offiziell bei allen entschuldigen, die ich nach einem ersten Treffen beim nächsten Mal nicht wiedererkannt habe. Eine andere Reisebloggerin hat mich beim dritten (!!!) Treffen darauf hingewiesen, dass wir uns doch schon kennen. Peinlich!
  • Austausch mit anderen Neurodivergenten über Social Media sowie Treffen offline oder online

Selbstständig als Reisebloggerin – dank oder trotz Neurodivergenz?

Reiseblogger Anja Beckmann in NeuseelandNach einem Jahr Weltreise (auf dem Bild bin ich in Neuseeland zu sehen) habe ich 2012 mein Reiseblog gegründet. Travel on Toast habe ich es deshalb genannt, weil Reisen und Essen Spezialinteressen sind.

Schon als Kind mit meiner Familie habe ich Reisen geliebt. So viele neue Eindrücke und Erlebnisse!

ADHS erschwert mir aber auch das Reisen. So neige ich etwa dazu, Haltestellen zu verpassen oder zu spät zu kommen.

Autismus hilft mir bei der Reiseplanung und bei der Struktur von Reiseblog oder Texten. Bei ungeplanten Situationen auf Reisen gerate ich jedoch schon mal aus der Fassung.

Neun Jahre lang habe ich als Angestellte gearbeitet, im Großraumbüro (für mich gar nichts). Seit 15 Jahre bin ich selbstständig.

Ich arbeite am besten als meine eigene Chefin, teils unterwegs und teils im Homeoffice mit Hund und Katze. In einer ruhigen Umgebung.

Hier findet ihr übrigens meine Vorsätze 2025: In & Out als Reisebloggerin.

Reisen mit Autismus und ADHS als Erwachsene

Tipps fürs Reisen mit ADHS

  • Nicht impulsiv Reisen buchen, weil das Ziel auf Social Media so verlockend aussieht. Sondern eine Nacht darüber schlafen, gründlich recherchieren und das Budget prüfen. Auf eine griechische Insel gelangte ich mal, weil ich Milos in einem Musikvideo gesehen habe (Kungs vs Cookin’ on 3 Burners – This Girl). Das hat sich gelohnt!
  • Recherche auch von vermeintlich langweiligen Details
  • Reisen mit Stornierungsoption buchen, falls ihr impulsiv doch nicht reisen möchtet, später oder zu einem anderen Reiseziel. Bei mir alles schon passiert.
  • Packliste zum Abhaken fürs Kofferpacken, verschiedene Packlisten findet ihr hier auf dem Reiseblog
  • Kopfhörer, um mich von Reizen abzuschirmen
  • Fun Food als Snacks mitnehmen
  • Soloreisen, da kann ich mich am besten auf die Umgebung, aufs Fotografieren und Filmen konzentrieren. Andere lenken mich da nur ab.
  • Städtereisen: In einer Großstadt wird mir nie langweilig, es gibt so viel zu tun und zu sehen.
  • Ev. Pauschalreise: Ich habe das 2024 auf Kreta ausprobiert, weil ich so müde war und mich mal um nichts kümmern wollte. Das hat auch gut geklappt. Aber ich recherchiere gerne selbst und buche Zug, Flug oder Hotel einzeln. Außerdem möchte ich gerne was von Land und Leuten sehen.
  • Neue Reiseziele ausprobieren, die haben den Reiz des Neuen.
  • Gegenchecken: Wirklich alles, am besten doppelt und dreifach. Etwa Abflugzeiten oder Check-out-Zeiten. Ich saß ganz gemütlich in einem Restaurant auf der griechischen Insel Naxos, weil ich glaubte, meine Fähre ginge erst eine Stunde später. Ich habe es noch geschafft, aber es war sehr knapp.
  • Anleitung für Flugreisen: Eine Bekannte mit ADHS flog zum ersten Mal. Deshalb habe ich einen Artikel mit 17 Flugtipps erstellt, damit ihr gut und günstig fliegen könnt.

Tipps fürs Reisen mit Autismus

Ich weiß, dass Reisen mit Autismus nicht einfach ist. Bei mir ist es ein Spezialinteresse und lockt mich in die Welt hinaus. Außerdem gibt mir vermutlich meine ADHS die nötigen Impulse.

Meine Tipps:

  • Nicht selbst Auto fahren
    Ich habe zwar einen Führerschein, doch Autofahren stresst mich sehr. Ständige Reize, die verarbeitet werden müssen.
  • Bahn- und Flugreisen möglichst ohne Umsteigen
    Also lieber die Direktverbindung oder den Nonstoppflug nehmen, auch wenn es teurer ist. Auch die 1. Klasse lohnt sich schon mal in der Bahn mit Sparpreisen, da ist es oft schön leer und ruhig.
  • Kopfhörer mitnehmen
  • Safe Food einstecken
  • Schlüsselband mit Sonnenblume am Flughafen tragen
    Das Sunflower Lanyard signalisiert etwa, dass ihr für manches mehr Zeit braucht. Ihr bekommt es z. B. am Airport Berlin, Hamburg oder übers Internet. Außerdem könnt ihr bei eurer jeweiligen Airline auf der Website nachschauen, was sie für Unterstützung bietet.
  • Reizarme Unterkünfte suchen
    So eignet sich ein riesiges Familienhotel mit viel Lärm eher nicht. Geht lieber in kleine Hotels oder nehmt euch eine Ferienwohnung. Für einige ist vermutlich das Frühstückbuffet mit vollem Frühstücksraum beängstigend. Im Ferienapartment könnt ihr es euch selbst zubereiten
  • Naturreiseziele
    Weite, Stille und klare Luft – viele autistische Menschen würden sich vermutlich für ein Reiseziel in der Natur entscheiden. Ich liebe etwa die niederländischen Nordseeinseln. Wenn ich dort auf dem Fahrrad am Leuchtturm vorbei zum Strand fahre und niemanden sonst sehe, bin ich einfach nur glücklich.
  • Gewohnte Reiseziele mehrfach besuchen. Bei mir ist das etwa Kolberg an der polnischen Ostsee. Dort ware ich schon oft mit Carsten und Buddy. Hier kenne ich mich aus, seien es die Wege, Supermärkte oder Restaurants. Ich kann meine gewohnten Routinen umsetzen, das gibt mir Halt und Sicherheit.
  • Klein anfangen
    Es muss ja nicht direkt der Backpackertrip durch Australien sein, sondern vielleicht erst mal ein Wochenendtrip aufs Land.
  • Begleitperson mitnehmen
    Am wohlsten fühle ich mich, wenn Carsten mit dabei ist. Er kann mich in stressigen Situationen unterstützen.

Wer bis hierhin gelesen hat: Ich freue mich, dass du mich rund 3.400 Wörter lang begleitet hast.

Da ich aber zu einzelnen Reiseaspekten noch viel mehr erzählen könnte, plane ich verschiedene Folgeartikel dazu.

Habt ihr weitere Tipps für Urlaub mit ADHS oder Autismus?

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Anja Beckmann

vegane Reisebloggerin aus NRW bei Travel on Toast
Mein Reiseblog Travel on Toast habe ich 2012 nach einem Jahr Weltreise gegründet. Als Reisebloggerin gebe ich euch Inspiration und Tipps für Ausflugsziele in NRW, Städtereisen, Urlaub am Meer, Hundeurlaub und vegane Food Spots. Ein weiteres Herzensthema ist das Reisen mit Autismus und ADHS als Erwachsene. Folgt mir gerne auf Social Media!

8 Kommentare

  • Antworten
    Jenny
    19. Januar 2025 um 11:26

    Liebe Anja,
    erst einmal bedanke ich mich für deine Offenheit!
    Da ich einige Menschen mit diesen Erkrankungen kenne, kann ich mich zumindest ein wenig einfühlen. Schlimm finde ich, dass es zu wenig Diagnose-Anlaufstellen gibt, vor allem, wenn man Erwachsen ist.
    Zumindest weißt du nun woran du bist und kann dich dementsprechend einordnen und auch Medikamente bekommen. Das ist sehr gut.
    Ich bewundere, was du alles leistest und welche Leidenschaft in dir steckt.
    Bleib so wie du bist!
    Liebe Grüße!

    • Antworten
      Anja Beckmann
      19. Januar 2025 um 15:01

      Liebe Jenny,
      vielen Dank für deinen liebevollen Kommentar!
      Autismus und ADHS als neurologische Entwicklungsstörungen werden mich mein Leben lang begleiten. Aber seit den Diagnosen passe ich mich weniger an, sondern passe meine Lebensumstände an mich an.
      Liebe Grüße nach Paderborn
      Anja

  • Antworten
    Sabine
    15. Januar 2025 um 08:02

    Liebe Anja, wir kennen uns von deiner Zeit in Bremen, wo wir zusammen gearbeitet haben. Und dein sehr persönlicher Artikel hat mir die Augen geöffnet, warum Du immer so unnahbar warst und es immer schwer für mich war, Dich einzuschätzen. Es ist doch merkwürdig wie oft wir Menschen falsch beurteilen. Ich kenne das von mir nur allzu gut, da mich andere oft für arrogant oder unfreundlich halten, dabei sind es oft Unsicherheiten oder meine Depressionen, die mich sehr viel Kraft kosten. Denn nach außen will ich funktionieren und es soll bitte keiner mitbekommen, was mit mir los ist. Aber meine Erfahrung der letzten Jahre zeigt mir, das wenn man mit seiner Krankheit offen umgeht in dem Umfeld, was einem wichtig ist, wird es einfacher. Dein Artikel hat mich positiv berührt und mir Denkansätze für meine eigene Situation mitgegeben. Und ich werde auf jeden Fall jetzt noch mal selbst recherchieren, weil mich ständig das Gefühl begleitet, das da etwas in mir ist, was noch nicht entdeckt wurde. Danke dafür!

    • Antworten
      Anja Beckmann
      15. Januar 2025 um 10:25

      Liebe Sabine,
      wie schön, dich so wiederzutreffen. Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Offenheit.
      Wirklich interessant, wie du mich gesehen hast. Ich habe immer nur versucht, möglichst wie alle anderen zu wirken.
      Mir hilft mein Artikel persönlich sehr. Denn jetzt muss ich mich nicht mehr verstecken. Und andere verstehen vielleicht etwa besser, warum ich mich in ihren Augen seltsam benehme.
      Ich wünsche dir alles Gute!
      Viele Grüße nach Bremen
      Anja

  • Antworten
    Karo
    14. Januar 2025 um 22:49

    Vielen Dank für die sehr persönlichen Einblicke. Tatsächlich habe ich mich in dem ein oder anderen wiedererkannt, obwohl ich keine der beiden Diagnosen habe. Deine Erfahrungen sind sicher sehr, sehr hilfreich für Betroffene. Viele Grüße Karo

    • Antworten
      Anja Beckmann
      14. Januar 2025 um 23:04

      Liebe Karo,
      vielen Dank für deinen Kommentar, darüber freue ich mich sehr!
      Viele liebe Grüße
      Anja

  • Antworten
    Melanie
    14. Januar 2025 um 21:47

    Liebe Anja,
    oh, das ist ein ganz wunderbarer Artikel! Den ich tatsächlich Wort für Wort und bis zum Ende gelesen habe. Bei einigen Aspekten erkenne ich mich, bei anderen denke ich: Mir sehr fremd, aber super hilfreich. Und ja, diese “Mode-Diagnose” Themen kenne ich – Depression?! Hat jetzt auf einmal auch jeder… Nein, verdammt! Nur, weil offener darüber gesprochen wird, ist es noch lange kein Trend, in oder what ever! Bin gespannt auf die nächsten Beiträge! Ich lieb’s!

    • Antworten
      Anja Beckmann
      14. Januar 2025 um 22:14

      Liebe Melanie,
      wie schön, dass dir mein Artikel gefällt. Ich habe eine Woche für ihn gebraucht und immer mal an ihm weitergeschrieben, bis ich den Mut aufgebracht habe, ihn zu posten.
      Aber jetzt muss ich mich nicht mehr verstecken, das findet ich so schön.

      Viele liebe Grüße
      Anja

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