Beitrag von Ariane Bille. Einer meiner Vorsätze für 2015 war eine Bahnreise. Langsam reisen, überall aussteigen, wo es mir gefällt und zuschauen wie sich die Welt verändert. Und es hat geklappt: Via Interrail mit Zug und Schiff fahre ich innerhalb von sieben Tagen von Lissabon über Madrid, Montpellier, Nizza, Genua und Bologna nach Athen. Dabei erlebe ich den Luxus des langsamen Reisens.
Vor einem Monat habe ich es getan: Ich bin meiner Sehnsucht gefolgt und nach Lissabon gezogen. Der Sommer 2015 gehört der Schönen am Tejo und mir! Nachdem ich mich neulich unsterblich in die Magie und Melancholie Lissabons verliebt habe, möchte ich wissen wie es sich hier lebt und ob Lissabon tatsächlich mein neuer Wohlfühlort ist.
Bevor ich aber richtig ankomme, breche ich mit dem Interrail Global Pass auf eine langsame Reise in den Süden Europas auf. Auf dem Weg zum Bahnhof Santa Apolónia in Lissabon, wo der Nachtzug nach Madrid auf mich wartet, träume ich vor mich hin: Ich denke an die Filmszenen aus “Before Sunrise” und an Pascal Merciers “Nachtzug nach Lissabon”.
Meine Vorstellungen vom Reisen mit dem Zug sind romantisch geprägt. Im Zeitalter von günstigen Flügen fühlt sich diese Art der Reise wie eine Zeitreise an. Eine Reise, die diesen Namen noch verdient hat, wo das eigentliche Reisen und nicht nur das Ankommen im Mittelpunkt steht.
Eine Reise, auf der der allergrößte Luxus die Zeit ist. Eine Reise, die in jede mögliche Richtung gehen kann, auf der der Weg das Ziel ist. Eine Reise, die sich nach meinen persönlichen Wünschen richtet, die mich an unbekannte Orte führt, die ich sonst nur „überfliege“.
Eine Reise in meinem Tempo, die mir Zeit gibt, die Veränderung der Architektur und Landschaften, der Kulturen und deren Menschen zu spüren. Eine Reise die mich träumen, beobachten und begegnen lässt.
Ist das alles Wunschdenken, oder werden meine romantischen Vorstellungen vom langsamen Reisen wahr?
Mittlerweile rollt der Nachtzug aus Lissabon gemächlich Richtung Madrid. Ich reise in der 1. Klasse und liege in meinem rosa Schlafabteil, das sogar eine Dusche hat. Es ruckelt und schuckelt und knarzt, ich fühle mich wie eine Sardine in einer rosa Büchse und bekomme in dieser Nacht kein Auge zu.
Dabei habe ich mir vorgestellt, wie ein Baby in den Schlaf gewogen zu werden und frisch und munter meinen kurzen dreistündigen Zwischenstopp in Madrid in Angriff zu nehmen. Gerädert – im wahrsten Sonne des Wortes – erreiche ich Madrid. Es ist heiß und ich will eigentlich nur noch eines: schlafen.
Aber nach einem belebenden Café und Churros con Chocolate kehrt meine Abenteuerlust wieder zurück. Gehört das nicht zum Reisen dazu? Wie langweilig wäre eine Reise ohne scheinbare Unberechenbarkeiten?
Sind es nicht die Anekdoten von Chaos und Abenteuer, die ich später meinen Kindern erzählen werde? Das Entdecken und Zurückerobern der eigenen Kräfte in scheinbar ausweglosen Situationen. Genau deshalb reise ich so gerne. Weil man immer wieder an seine Grenzen stößt und vom Leben überrascht wird.
Der verpasste Zug, der schnarchende Sitznachbar, das kreischende Kleinkind, das Warten auf’s Ankommen, die Seekrankheit auf der Fähre (genau – man kann via Interrail auch vom Zug auf´s Schiff umsteigen) – all das gehört zu einer Interrail Reise dazu.
Nicht immer läuft alles nach Plan, aber auch das kann ich beeinflussen. Pläne sind dazu da, sie zu ändern. Ich kann überall aussteigen, wo es mir gefällt und einfach den nächsten Zug nehmen. Ein befreienderes Gefühl gibt es nicht.
Während ich in entschleunigender Geschwindigkeit durch Südeuropa tuckere, tue ich so einige Dinge, zu denen ich beim Reisen mit dem Flugzeug selten komme: Ich lese endlich mein Buch zu Ende, schreibe einen Artikel fertig, lasse mir Tipps von Einheimischen für die nächste Stadt geben, trinke eine Kaffee im Bordbistro und mache eine Siesta.
Ich kann mich frei bewegen, mir die verschieden Abteile angucken und habe im Gegensatz zum Flugzeug extrem viel Platz für meine langen Beine.
Das Schönste bei der Interrail Fahrt ist immer wieder der Blick aus dem Fenster.
Die Zuggleise schlängeln sich an der Küste entlang, das Meer leuchtet blau, vertrocknete Wiesen, Oleanderhecken, Salzfelder, Autobahnen, Vorstädte, sattgrüne Pinienwälder und terracottafarbene Häuser ziehen an mir vorbei.
Zeit zum Träumen! Vor jedem Zwischenstopp habe ich genug Zeit mich auf das nächste Ziel zu freuen. Doch vorallem werden mir die kulinarischen Begegnungen und Momente mit fremden Genussmenschen in Erinnerung bleiben.
Ich wusste, dass mir während der vielen Zwischenstopps von Lissabon nach Athen wenig Zeit bleiben würde, und so kam mir die Idee, mich in jeder Stadt mit einem einheimischen Foodie zum Essen zu verabreden. Die Tipps von Locals sind mir immer die liebsten und ich würde das Reisen gleich mit meiner zweiten Passion, dem Essen, verbinden – soweit mein Plan.
Überall hat es leider nicht geklappt, aber die Städte, in denen ich nun Menschen kennengelernt habe, mit denen ich eine Leidenschaft teile, möchte ich alle wieder besuchen.
Zu den besonderen Momenten gehörten die Churros con Chocolate, die ich mit Amy vom Blog Restless Fork in Madrid gefrühstückt habe.
Der Café Gourmand, den ich mir nach meinem Mittagessen mit Blue von Montpellier CityCrunch mit in den Zug genommen habe.
Das sagenhaft cremige Gelato, das ich mit Andrea von Taste Bologna geschleckt habe.
Die frischen knusprigen Meeresfrüchte, die ich zusammen mit Johanna von Food Junkie in Athen mit Blick auf die Akropolis genossen habe.
Ich habe Madrid, Montpellier, Bologna und Athen geschmeckt. Der Geschmack war überall einzigartig, überall anders und überall außergewöhnlich.
Jetzt bin ich erst richtig auf den Geschmack gekommen: Ich habe das langsame Reisen durch Europa für mich entdeckt. Interrail – das ist genau mein Ding. Das bin ich! Ganz und gar.
Und deswegen war das erst der Anfang: Ich will mehr von Europa sehen, es gibt noch so viele unbekannte Orte und Geschmäcker, die ich entdecken und schmecken möchte!
Im nächsten Teil erzähle ich euch von meinen schönsten Momenten in Lissabon, Madrid, Montpellier, Nizza, Genua, Bologna und Athen und verrate die Lieblingsorte der Einheimischen, die ich dort besucht habe.
Seid ihr schon mal mit Interrail gereist? Und wenn ja, wohin hat euch die Reise geführt?
Weiterlesen zu den Städten auf der Interrail Route
Portugal: Die 7 Highlights von Lissabon
Bologna: Von schiefen Türmen, einem geheimen Fenster und der Flüsterecke
Bologna für Genießer: 5 Highlights
Interrail hat mir die Reise ermöglicht, vielen Dank dafür!
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Anja Beckmann
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6 Kommentare
Ariane
8. Juni 2015 um 10:50Liebe Mary,
Lissabon ist ein absoluter Sehnsuchtsort – ich bin immer noch hin und weg! Jeden Tag staune ich auf’s neue und ich bin so glücklich, dass ich es einfach, ohne groß nachzudenken, gemacht habe. Ich werde dort offiziell bis August bleiben, aber wer weiß …
Es war auch meine erste Interrailreise und auch davon habe ich lange geträumt. Ich werde es definitiv wieder machen!
Mit mehr Zeit, denn die war natürlich knapp. Aber das schöne ist ja, dass man sich immer wieder neu entscheiden kann! Ich hätte mir in den 7 Tagen auch nur 2 Städte angucken können. Ich hatte keine großen Pläne in den Stödten – am liebsten lasse ich immer alles auf mich zukommen. Oder ich treffe Locals und lasse mir die besten Tipps geben, so habe ich es in Montpellier, Madrid, Bologna und Athen gemacht.
In Portugal einen Mietwagen zu leihen ist eine gute Idee! Du kannst zwar auch mit Bus und Bahn fahren, aber da kommst du natürlich nicht an die einsamen Strände bzw. musst vorher wissen wo du sie findest.
Viel Spaß bei deiner Reise, ich hoffe dein Traum geht in Erfüllung!
Ruth
7. Juni 2015 um 23:54Wunderbarer Artikel, wir sind letztes Jahr eine ähnliche Route gefahren, allerdings etwas kürzer und mit mehr Zeit!
Von Barcelona sind wir über Marseille, Frejus und Genua nach Mailand gefahren und es war echt wunderbar!
Genua war meine liebste Stadt von allen und die Reise war super entspannend. 14 Tage waren wir unterwegs, sind überall ein paar Tage geblieben :)
Liebe Grüße
Ruth
Ariane
7. Juni 2015 um 20:31Danke, Kati! Wo ich mir die Bilder grade so angucke, würde ich am liebsten gleich wieder in den Zug steigen
Mathias, warum hat’s bisher eigentlich noch nicht geklappt? Ich würd’s sofort wieder tun!
kati
7. Juni 2015 um 19:17superschöne fotos :)
Mary
7. Juni 2015 um 18:50Hallo,
ich bin begeistert. Lissabon ist meine Lieblingsstadt.Ich beneide dich um die Tatsache, das du dorthin gezogen bist. Nur für kurze Zeit oder längerfristig? Ich muss gestehen ich bin noch nie Interrail gereist. Ich würde gerne einmal mit dem Zug bis nach Lissabon fahren , dort dann einige Tage verbringen und dann weiter durch Portugal mit einem kleinen Mietwagen oder per Bus und Bahn.
Mich würde interessieren, ob du wirklich von Stadt zu Stadt getingelt bist ohne großartige Planung , hast du nur im Zug genächtigt,oder auch mal in einem Hotel/Pension?
Liebste Grüße
Mary
Ich bin gespannt auf deinen nächsten Beitrag du hast mich neugierig gemacht.
Mathias
7. Juni 2015 um 13:32Toller Artikel und schöne Fotos. Eine Interrail Tour wollte ich auch schon immer mal machen, aber bisher hat es leider noch nicht geklappt.
Viele Grüße
Mathias