Beitrag von Pia Kleine Wieskamp. Verlassene Fabriken, Häuser, Ställe, Bunker, Bahnanlagen, Hotels, Freizeitanlagen, Schulen und Kliniken aus einem anderen Jahrzehnt bzw. Jahrhundert üben für viele eine Faszination aus. Ende Februar habe ich einen der bekannten Lost Places – eine ehemalige Heilstätte bei Berlin – besucht und fotografiert.
Lost Places: Diese „vergessenen und verlassene“ Orte wurden oft hastig der nagenden Zeit des Verfalls überlassen und zeigen sich nun unbewohnt, versteckt, überwuchert, oft auch zerstört.
Lost Places sind ein Teil unserer Geschichte und bieten spannende Möglichkeiten für Kopf und Auge bzw. Fotolinse. Alleine die Vorstellung und der Gedanke an die Bewohner, die einstmals diese Gebäude bewohnten, sind Stoff für viele Ideen, Geschichten und Filme.
Zurückgelassen zeigen die Lost Places nun ungeheuerliche Stille, wirken verfallen und marode. Oft macht gerade das Morbide den Reiz für viele Fotografen und auch für mich aus. Solch stimmungsvolle Ort strömen eine bestimmt Aura aus, die geradezu zum Fotografieren auffordern.
Seit einiger Zeit, genauer gesagt seit ich mit meinem Smartphone ständig eine Kamera mit mir herumtrage, habe ich meine Lust an der Fotografie wieder entdeckt. Zur Zeit der Analogfotografie hörte ich auf auch auf Reisen eine Kamera mitzunehmen. Nun hat mich seit ca. zwei Jahren das Fotofieber wieder gepackt. Ich liebe es, mit meiner roten Nikon Spiegelreflexkamera auf Entdeckungsreisen zu gehen.
Natürlich bin ich hierin noch ein Newbie – na ja und um ganz ehrlich zu sein, habe ich es nicht so mit Handbüchern. Da interessieren mich schon eher Praxiserfahrungen oder Workshops. Wenn also ein Workshop angeboten wird und dann auch noch in einer wahnisinnig interessanten Location, muss ich einfach zuschlagen – so wie in dem Workshop zu Lost Places, der von dem Bilddienstleister Cewe veranstaltet wurde.
Laut Wikipedia ist „der Ausdruck Lost Place ein Pseudoanglizismus und bedeutet sinngemäß ‘vergessener Ort’. Im englischen Sprachgebrauch wird auch der Ausdruck ‘abandoned place’ oder ‘off the map’ benutzt.”
Mein Interesse an Lost Places besteht darin, die Stimmung, also die Aura, der Gebäude einzufangen, teilweise eine Zeitreise zu durchreisen oder auch den Verfall, die Vergänglichkeit, das Abblättern oder Rosten – also den Zahn der Zeit – zu dokumentieren.
Wie der Name schon verrät ist die Fotografie verfallener Bauwerke ein Aspekt der Architekturfotografie. Oft sind Detailaufnahmen, Lichtstimmungen, Linien und Farbstrukturen Aspekte der Architekturfotografie. Bei der Aufnahme von verlassenen Gebäuden ist zudem die Fotografie in der Dunkelheit eine Aufgabe, die es zu meistern gilt, da viele verlassene Gebäude ohne Strom und Licht sind.
Neben der Möglichkeit dieses herrliche Gebäude mit Erlaubnis betreten und fotografieren zu dürfen, hatte das Cewe-Team noch einige Überraschungen für die Teilnehmer des zweitägigen Workshops organisiert.
Zur Einführung gab es eine theoretische Einführung in die verschiedenen Themen- und Aufgabenbereiche (z. B. Nahaufnahmen, HDR, ein Bild weiter denken…) des Workshops. Anschließend erhielten wir einen historischen Rundgang über das Gelände der Heilstätten und konnten auch erste Eindrücke fotografisch festhalten.
Die Location war einst der größte Krankenhauskomplex der Region – eine Lungenheilstätte zur Behandlung von Tuberkulose. Selbst Adolf Hitler war nach einer Verwundung im ersten Weltkrieg Patient in diesem Gebäude. Diese und weiter Details erfuhren wir in einer sehr interessanten Führung zur Geschichte des Komplexes.
Lost Places zu erobern ist kein einfacher Spaziergang: Gutes Schuhwerk und ein Hang zu Entdeckungen sind gefragt. So lief ich durch Schutt und sonst abgesperrte, eingefallene Keller, Tunnel, ehemalige Badezimmer, Turnhallen und Schlafräume.
Details werden durch das fotografische Spiel mit Licht, Schatten und Formen und den Blick in vergangene Zeiten zu einem ästhetischen Gesamtgenuss. Oft würde ich gerne mehr über die ehemaligen Bewohner erfahren, den Architekten, die Putzfrau, die Krankenschwester.
Vielleicht ist aber gerade das Besondere an diesen Objekten, dass die eigenen Fantasie angeregt wird und mir in den einzelnen Zimmern individuelle Geschichten rund um Gebäude und Bewohner einfallen.
Nun sind bestimmt einige Leser neugierig, wo denn nun die Fotos aufgenommen wurden und der Lost Place liegt? Kenner der Materie wissen bereits von welcher Location ich spreche. Da wir aber gebeten wurden, den Namen nicht so „laut“ und öffentlich preiszugeben, mache ich dies nun auch nicht.
Der Grund hierfür sind purer Vandalismus und Zerstörungswut, die ich auch beobachten konnte. Zur Entstehung ein hochmoderner Komplex, ist das Gebäude längst nicht mehr vor Verfall geschützt. Normalerweise gibt es einen Kodex unter den Fotografen von Lost Places, der besagt: „Nimm nichts mit außer Fotos, und lasse nichts zurück außer Fußspuren!“ Das sollte eigentlich nicht extra gesagt werden, ich mache es aber lieber zur Sicherheit doch!
Inhaltsverzeichnis
Wart ihr schon mal an einem der Lost Places oder würdet ihr gerne einen besuchen?
Anja Beckmann
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13 Kommentare
Frauke
7. Dezember 2020 um 15:57Hallo Pia, Hallo Anja,
ich bin seit 2012 als Urbexerin unterwegs und die schönen Beelitz Heilstätten gehörten zu meinen ersten Lost
places. Insgesamt war ich 4x dort. Umso interessanter für mich, euren Artikel zu lesen und vor allem die Fotos zu sehen. Leider hat sichBeelitz zu schnell zu stark verändert, aber zum Glück sind ja inzwischen einige Gebäude gerettet worden.
Liebe Grüße, Frauke
P.S.: Da ich ebenfalls gern und viel reise, habe ich hier schon öfter tolle Berichte gelesen :)
Anja Beckmann
7. Dezember 2020 um 22:13Hallo Frauke,
vielen Dank für deine netten Worte!
Liebe Grüße
Anja