Beitrag von Catharina Wilhelm. La Serenissima wird die Lagunenstadt genannt – die „Allerdurchlauchteste“. Angesichts der Menschenmassen, die sich täglich durch sie schieben und drängen, ist es heutzutage eine eher verwunderlich anmutende Namensgebung. Doch Venedig nimmt es mit dem ihr eigenen morbiden Charme und Humor und zeigt sich bunt, laut und schrill, wo die Besuchswilligen ihre Sneakers und Flipflops bewegen. Leise und zurückhaltend offenbart sie sich nur denjenigen, die auch die Gassen und Plätze abseits der Touristenrennstrecke wertschätzen.
Obwohl ich die Nebenrouten von Venedig bevorzuge: An manchen der „greatest hits“ komm auch ich nicht vorbei. Zu schön ist die Piazza San Marco mit der gleichnamigen Kirche, dem benachbarten Glockenturm (der 1902 zusammengestürzt war, ohne jedoch jemanden zu verletzen) und dem berühmten Uhrturm. Der Besuch der Basilika sei Erstbesuchern sehr ans Herz gelegt, auch wenn man heutzutage eine Warteschlange in Kauf nehmen muss. Alternativ lässt sich der Besuch im Voraus online planen und buchen.
Außerdem zieht es mich immer wieder ins Museum der extravaganten Kunstsammlerin Peggy Guggenheim, deren Autobiographie „Out of the Century – Confessions of an Art-Addict“ übrigens überaus lesenswert ist. Sie ist im Garten ihres Palazzos bestattet, unmittelbar neben ihr ruhen ihre „beloved babies“ – Lhasa Dogs, die auf so illustre Namen wie Cappuccino, Sir Herbert, White Angel oder Madam Butterfly hörten.
Die Kunstsammlung umfasst Werke von Hans Arp, Picasso, Magritte, Max Ernst, Henry Moore, Calder und Giacometti – für Fragen rund um die Exponate stehen Kunststipendiaten aus aller Welt zur Verfügung.
Wie bei jedem Besuch in Venedig verweile ich eine Weile auf der dem Canale Grande zugewandten Terrasse und genieße den Blick auf die hölzerne Accademia-Brücke zur Linken und auf die Kuppel von La Salute auf der rechten Seite. Über der Terrasse thront übrigens L’Angelo della città (Der Engel der Stadt), eine Bronzeplastik von Marino Marini, die einen Reiter mit ausgebreiteten Armen auf seinem Pferd sitzend zeigt.
Sehr sehenswert ist in Venedig auch der Palazzo ihres Freundes Mariano Fortuny. Der Modeschöpfer und Innenarchitekt hatte den Palazzo von der in Venedig überaus einflussreichen Familie Pesaro gekauft und seine weltweit gerühmten Stoffdesigns – er erfand eine spezielle Technik des Plissierens – dort entworfen und gefertigt. Die Duse, Isadora Duncan, Sarah Bernhardt und die Vanderbilts gehörten zu seinen Kunden. Manche der Stoffe sind heute im oberen Geschoss des Palazzo Fortuny zu bewundern; im Erdgeschoss gibt es wechselnde Fotoausstellungen.
Im Wartebereich des Vaporetto-Anlegers vernehme ich die klassischen Nepp-Geschichten zu Venedig: Ein Besucher habe auf einer kleinen Piazza in einem unscheinbaren Café 8,40 Euro für ein Bier und 6,80 Euro für einen Cappuccino gezahlt. Das ist überaus ärgerlich und leider immer noch gang und gäbe. Schade, damit wird so manchem Menschen der Besuch vergällt. Ich empfehle für Italien gerne den von Slow Food herausgegebenen Gastro-Guide Osterie d’Italia, der eine Auswahl der besten Restaurants bietet.
Am ersten Tag entscheide ich mich für einen Quick-Lunch in einem Bacaro, also einem Stehlokal mit tapasartigem Fingerfood und – so man will – einer „Ombra“ (0,1 Liter Wein). Beim Cantinone (Dorsoduro 992/San Trovaso) schräg gegenüber – der wohl letzten Gondelwerkstatt Venedigs – gibt es zahlreiche köstliche „Cicheti“ mit Gemüse-, Salami- und Fischspezialitäten.
Den Espresso danach genieße ich nur wenige Meter weiter auf den Zattere, in der Sonne und am Wasser. Ein Traum – wenn nicht gerade der Himmel sich verdunkelt, weil wieder eines der riesigen Kreuzfahrtschiffe sich durch den Kanal schiebt und Einheimische wie Touristen das Fürchten lehrt. Noch bis 2018 dauert dieser Spuk an – hoffen wir nur, dass nicht doch noch ein trunkener und liebestoller Kapitän auf den Gedanken kommt, sich vor der Stadt verneigen zu müssen.
Tags darauf nehme ich mir Zeit für ein längeres Mittagessen und genieße die angenehm ruhige Atmosphäre der Osteria Da Rioba an der Fondamenta della Misericordia nahe dem Ghetto Nuovo.
Nach gratinierten Jakobsmuscheln wähle ich Seeteufel (Coda di Rospo) mit Trockenfrüchten, Mandelstiften und der berühmten Zwiebel aus Tropea. Mein Gegenüber schwelgt nach einem „Tortino“ aus Ricotta mit gerösteten Pinienkernen im Auberginen-Tomatenmantel zum Hauptgang in Thunfisch mit Sesamkruste „al saor“.
Der Koch verbindet hier traditionelle Elemente der venezianischen Küche mit einer „modernen“ Fischart auf charmante Weise, denn beim Venedig-Klassiker „Sarde al saor“ werden Sardinen in einer Marinade von Zwiebeln, Rosinen, Essig und Zucker eingelegt (ursprünglich, um den Fisch länger haltbar zu machen).
Abends genießen meine Füße und Augen die Fahrt mit einem Vaporetto auf dem Canale Grande – nirgends genießt man schönere Blicke auf die prunkvollen Palazzi, in denen neben berühmten Familien der Serenissima auch in allen Jahrhunderten Künstler und Schriftsteller aus aller Welt residierten.
Als der Zug abends über die Lagune gleitet, in der Bootsmannschaften schon wieder für die Regatta Storica am ersten Septemberwochenende des nächsten Jahres trainieren, kehrt nach dem Trubel von Venedig wieder Ruhe in mir ein. Und ich bin dankbar, erneut zwei zauberschöne Tage in dieser einzigartigen Stadt verbracht zu haben.
Was gefällt euch besonders gut an Venedig?
Anja Beckmann
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4 Kommentare
Catharina
16. Oktober 2014 um 20:07Danke, Sam!
Um 6 Monate Venedig beneide ich Dich ein wenig – die stehen noch auf meiner Wunschliste. Mal sehen ;)
Sam
15. Oktober 2014 um 10:39Hey, ein sehr schöner Beitrag. Ich habe dieses Jahr selber 6 Monate ich Venedig gelebt. eine wunderschöne Stadt :)
Catharina
9. Oktober 2014 um 22:43Liebe Verena,
richtig, das kann keinesfalls “gesund” sein. Es ist ein bisschen so, als würde ein Dinosaurier bei uns durchs Wohnzimmer laufen…
Drücken wir also den Venezianern die Daumen!
Viele Grüße, Catharina
Verena Fiona
9. Oktober 2014 um 12:07Liebe Catharina,
ich hoffe auch für die Venezianer, dass die Einfahrt für diese riesen Kreuzer endlich verboten wird. Es ist doch Wahnsinn, damit in die kleine Lagune fahren zu wollen. Selbst wenn es keine sichtbaren Schäden und Unglücke gibt, bin ich sicher, dass die Substanz der Häuser über kurz oder lang unter diesen Riesen leidet.
Liebe Grüße
Verena Fiona